Zuckerentzug Teil 3 – Neues aus dem Reich des Hungers

BITTE BEACHTEN SIE

Ich habe einige außergewöhnliche Behandlungsansätze, die sich nicht in Büchern wiederfinden. Diese sind meist konsequent weitergedachte schulmedizinische Betrachtungsweisen. Um mich und meine Arbeit besser kennenzulernen, stelle ich diese hier dar. Ich diskutiere diese gerne mit Ihnen und stelle etwas pointiert dar, um zum Austausch anzuregen. Dieser Blog ist weder Ausbildung, noch zum Nachahmen gedacht und ersetzt keine ärztliche Beratung oder Therapie. Aber vielleicht lachen Sie. Und dann vielleicht doch.

Vielen Dank für die netten Zuschriften und aufmunternden Worte. Grüße auch ins Ausland, insbesondere Österreich und Kanada. Wer hätte das gedacht? Und natürlich dürft Ihr den Blog teilen. Ich bitte sogar darum. Ich will ja einige Erkenntnisse auch denen zur Verfügung stellen, die mich nicht regelmäßig besuchen. Für die Neuankömmlinge im Blog: Ich versuche mich auch auf solche Sachen zu beschränken, die wir nicht in den Büchern nachlesen können. Die beste Frau von allen lernt grad für ihren Heilpraktiker für Psychotherapie und fragt mich öfter, warum sie Sachen lernen muss, die von Freud, Jung oder Adler beschrieben wurden, vor fast 100 Jahren. Wenn wir dies mit der Chirurgie vergleichen würden, wäre das in etwa so, als würde der neueste Standard in der Lungenoperation von Ferdinand Sauerbruch 1903 definiert sein. In allen anderen Fächern hätte man höchstens historisches Interesse an den Symptomen des ersten Ranges der Schizophrenie von Kurt Schneider, 1938. Aber jetzt schauen Sie einmal bei DocCheck Flexicon unter Schizophrenie nach und finden da Eugen Bleuler von 1911 und gleich danach die Definition von Kurt Schneider. Ist auch grad erst als Buch herausgekommen. Fällt einem da noch was auf? Nur zum Vergleich, sieben Jahre nach diesen Erkenntnissen ist 1945 das Penicillin entdeckt worden.
Nur um nicht zu übertreiben möchte ich auch sagen, dass auf der gleichen Seite bei DocCheck auch von der Dopamin Hypothese und möglichen sozialen Faktoren als Auslöser der Schizophrenie die Rede ist. Aber warum steht da Hypothese? Hypothese heißt, es hat jemand vermutet, der nicht die Zeit oder die Mittel hatte, es genau zu untersuchen. Und diese nicht fundierte Hypothese besteht in dieser Form seit ich in der Psychiatrie arbeite, also Mitte der 90 er Jahre. In der gleichen Zeit ist die Bedeutung des Faches Psychiatrie und Psychotherapie in einem Maße gewachsen, die beeindruckend, wenn nicht erschreckend ist. Googeln Sie mal Arbeitsunfähigkeitstage oder Fehlzeitenreport. Wenn das Jahr 2005 als Ausgang genommen wird, haben sich in 12 Jahren die Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen verdoppelt. Im Vergleich sind alle anderen, wie Herz, Kreislauf, Skelett, Atmung oder Verletzungen nahezu gleich geblieben. Der Bedarf ist bereits seit den 90er Jahren schlagartig gewachsen, die Menge an Psychiatern und Psychotherapeuten wurde in den 90 er Jahren festgelegt und seitdem nicht erhöht. Nur wenn ein Arzt in Rente geht, darf ein anderer über Kasse abrechnen, egal wie hoch der Bedarf ist. Da die Ärzte und Psychologen nur begrenzt arbeiten dürfen (und können muss ich hier sagen), sind die Ausgaben des Gesundheitssystems an dieser Stelle gut begrenzt. In diese Lücke springen jetzt zum Beispiel Heilpraktiker für Psychotherapie. Da Patienten diese Kosten selbst tragen müssen, sollte da überhaupt nichts dagegen sprechen. Aber dennoch werden die Zulassungen und Prüfungen jedes Jahr schwerer. Ich bin nicht sicher, ob ich die Prüfung von heute morgen in Celle bestanden hätte, ehrlich.
Vor zwei Wochen habe ich das allererste Mal folgenden Satz von einem Patienten gehört: „Ich fühle mich etwas überlastet und nicht glücklich, aber eigentlich geht es mir gut. Aber ich lasse mir bei allen wichtigen Dingen im Leben von Experten helfen. Beim Hausbau, beim Sport, im Garten oder bei der Autoreparatur. Warum sollte ich bei meinem persönlichen Glück eine Ausnahme machen?“ Ich war so baff, dass ich minutenlang kein Wort herausbekommen habe. Obwohl es logisch klingt, höre ich meistens eher: „Als dann gar nichts mehr ging, hat mich mein Hausarzt ein halbes Jahr krank geschrieben. Dadurch wurde es irgendwie nicht besser. Dann war ich beim Internisten und HNO Arzt, wegen dem Tinnitus. Der Neurologe hat wegen dem Schwindel auch nichts gefunden. Ich habe mittlerweile elf EKGs, aber alle sind in Ordnung. Tja, und dann dachte ich, ich komme mal hierher, schlechter kann es ja auch nicht werden.“ Im Durchschnitt waren meine Patienten noch vor zehn Jahren bei sechs anderen Ärzten, bevor sie zu mir kamen. Heute ist das sehr viel besser geworden. Um Aufklärung zu betreiben, um für Therapie zu begeistern und um Ihnen diese Berührungsängste zu nehmen schreibe ich hier mitten in der Nacht. Und um auf unser Thema aufmerksam zu machen, damit die Dopamin Hypothese vielleicht irgendwann einmal wissenschaftlich untersucht und belegt wird. Also ruhig teilen.

Nur als Randnotiz: Wer sich unter den Erstrangsymptomen von Schneider nichts vorstellen kann und daher nicht versteht, warum ich die Diagnose als unmodern empfinde: Stellen Sie sich vor, wir würden einen Herzinfarkt danach diagnostizieren, dass zeitgleich mindestens zwei der folgenden Erstrang-Symptome auftreten müssen: 1. Wedeln mit dem rechten Arm in der Luft, 2. Lautes Schreien, wahlweise Stöhnen, 3. Klauenartiges Greifen der linken Hand nach der eigenen Herzregion. Zusätzlich können zwei oder mehrere Symptome des zweiten Ranges auftreten: 1. Fluchen, 2. Verzerrter Gesichtsausdruck, 3. Unregelmäßige Frisur mit zum Teil abstehenden Haaranteilen. Sollten zwei Symptome des ersten Ranges oder ein Symptom des ersten Ranges und zwei des zweiten Ranges erkennbar sein, ist die Diagnose gesichert. So geht Psychiatrie heute!

Eigentlich wollte ich von Facebook und uns sprechen. Bin wohl irgendwo abgedriftet. Ideenflucht durch Zuckerentzug. Aber -6 Kilo, ehrlich! Leider auch ein kleiner Rückfall, aber davon später. Und es sollte darum gehen, warum wir dank Herrn Zuckerberg keine Eltern mehr brauchen. Naja, zumindest, wenn er uns auch zum Handball fahren würde.

Ersteinmal zur Theorie: Selbstbewusstsein wird gebildet, indem wir als Kinder Handlungen unternehmen, die von Bezugspersonen bewertet werden. Deren möglichst konstante Einschätzung hilft uns, ein stabiles Selbstwertbild zu erstellen. Stellen wir uns also vor, Sie malen ein Bild im Kindergarten. Der Kindergärtnerin gefällt es, den Eltern auch. Kann Zufall sein, daher malen wir kurze Zeit später noch ein Bild. Wieder gefällt es dem Umfeld. Nach dem dritten Marienkäfer in Wachsmalkreide wissen wir: Ich male gute Marienkäfer! Wir haben ein Stück Gewissheit über einen sehr kleinen Bereich unserer Fähigkeiten gewonnen. Selbst wenn jetzt der kleine Mithäftling im Kindergarten mit dem außergewöhnlichen Namen „Max“ meint, es würde ihm nicht gefallen, wäre es uns egal. Wir wissen es besser. Wir haben ein stabiles Bewusstsein über unsere Fähigkeit, Marienkäfer zu malen. So kommt es zu Selbstbewusstsein. Selbst wenn unsere Bilder keinem gefallen, entwickeln wir ein stabiles Selbstbewusstsein. Wir wissen ganz genau: Unsere Marienkäfer sind Kacke! Schwierig wird es nur, wenn wir inkonstante Rückmeldungen bekommen. Der eine sagt so, der andere so. Oder noch schlimmer, wir zeigen unserer Mutter drei Mal das gleiche Bild und sie hat drei Meinungen dazu. Inkonstante Rückmeldungen, oder falsch gute oder falsch schlechte führen zu falschen Bewusstsein über uns selbst. Wenn wir nur schlechte Rückmeldungen bekommen, obwohl wir eigentlich recht gut malen, werden wir ängstlich und vermeiden das Malen. Bekommen wir zu gute Rückmeldungen, landen wir in der ersten Runde bei DSDS. Die Welt wundert sich, wieso wir glaubten, wir müssten im Fernsehen singen.

Was passiert aber mit diesen Leuten, die inkonstante Rückmeldungen bekommen haben? Die vielen von uns, die in der Schule mal gut und mal schlecht waren. Die von einigen angehimmelt werden, von anderen nicht gemocht, von einem Chef gelobt und vom nächsten gemobbt werden? Diejenigen, die nicht das Gefühl haben, sich auf ihre eigene Meinung über sich selbst verlassen zu können? Diese Einzelschicksale, diese wenigen von uns, die gerade einmal 95 % unserer Gesellschaft ausmachen, können diesen Prozess des Bildermalens nicht verlassen. Sie sind auf die Rückmeldungen von anderen angewiesen, um ein Gefühl zu sich selbst zu bilden. Um sich gut fühlen zu können und auch mal stolz auf sich sind.

Der Narzist macht hier einen Trick. Wenn nicht klar ist, wo die Wahrheit liegt, kann er sich genauso gut eine ausdenken. Wenn er nicht weiß, ob er gute oder schlechte Marienkäfer malt, kann er das letztlich auch selbst definieren. Das erleichtert, weil wir nicht mehr auf andere angewiesen sind. Und es gibt ein gutes Gefühl. Wir müssen als Narzist nur darauf aufpassen, dass wir keine Rückmeldungen mehr bekommen, die unsere eigene Definition in Frage stellt. Deswegen werden wir auch so wütend, wenn unsere Fähigkeiten allzu genau hinterfragt werden. Ich darf also nie wieder Marienkäfer malen und muss negative Rückmeldungen im Generellen eher vermeiden. Entweder durch direkte Vermeidung oder durch Perfektionismus, also hundertprozentiger Einsatz mit dem Zweck, eine positive Rückmeldung zu erreichen. Da ruft es schon Burnout von ganz hinten.

Wie kommt hier Facebook oder Instagram ins Spiel? Tief im Narzisten nagt die Ungewissheit des schlechten Selbstbewußtseins. Also malen wir doch Bilder. Und wir zeigen sie der ganzen Welt. Die diese Bilder auch bewertet. Daumen hoch für den Marienkäfer! Ein einziger Feedbackmechanismus. Das Selbstvertrauen, dass uns die Eltern nie gegeben haben, liefert uns jetzt das Handy. Und das ist nicht schlecht. Wenn jeder jeden Tag 5 Personen liked, würde schneeballartig eine Welle der positiven Verstärkung über uns kommen. Und dieses geliehene Selbstvertrauen könnte uns beibringen, wie sich Selbstvertrauen überhaupt anfühlt. Uns an das Gefühl gewöhnen, bis wir auf die Likes nicht mehr angewiesen sind, weil wir das Gefühl im Herzen tragen.

Etwas anderes machen unsere Eltern auch nicht, oder glaubt Ihr, dass die den Marienkäfer heimlich ans Museum verkaufen? Aber weil unsere Eltern an uns glauben, entwickeln wir uns und unsere Maltechnik weiter. Und wer weiß, wo uns dieser Weg hinführt? Vielleicht einmal ins Museum.

An einem Sonntag Nachmittag. Bei Regen. Wie heute.