Gefühl, Unbewusstes und Psychosomatik im Bällebad

BITTE BEACHTEN SIE

Ich habe einige außergewöhnliche Behandlungsansätze, die sich nicht in Büchern wiederfinden. Diese sind meist konsequent weitergedachte schulmedizinische Betrachtungsweisen. Um mich und meine Arbeit besser kennenzulernen, stelle ich diese hier dar. Ich diskutiere diese gerne mit Ihnen und stelle etwas pointiert dar, um zum Austausch anzuregen. Dieser Blog ist weder Ausbildung, noch zum Nachahmen gedacht und ersetzt keine ärztliche Beratung oder Therapie. Aber vielleicht lachen Sie. Und dann vielleicht doch.

Hallo liebe Freunde und Gruß an alle da draussen, die sich für zu gesund sind, um noch regelmäßig bei ‚good old‘ DocWassmuth vorbeizukommen. Ihr habt es wohl geschafft!

Ich werde immer gefragt, ob dies die schlimmste Zeit des Jahres ist und wann ich am meisten zu tun hätte. Ja, ist es! Im Dezember können sich die meisten durch das Licht ihrer Weihnachtsbeleuchtung über Wasser halten. Auch die Aussicht auf die Besinnlichkeit und den Jahreswechsel gibt unserem dunklen Alltag eine Art Sinn. Aber wenn der Baum erst einmal ausgemistet wurde und der Doc die Discokugeln der Gartenbeleuchtung wieder durch normale Energiesparlampen ersetzt wird es ernst! Der Frühling ist zu weit weg und zu abstrakt, der Vitamin D Spiegel zu niedrig und die Tage dunkel und nass. Früher lag wenigstens noch Schnee, der das wenige Licht reflektiert hat. Aber jeder von Euch, der sich gefragt hat, was die Teddybären im letzten Star Wars Film zu bedeuten hatten, kennen das Thema Schnee wohl nur vom Hörensagen. In dieser Zeit ist unsere Praxis voll mit schwermütigen, übellaunigen Misantropen. Und dann kommen noch die ganzen Patienten dazu.

Heute geht es um ein Modell, dass ich eigentlich für mich behalten wollte. Zumindest bis der Patentschutz steht. Aber Ihr wisst ja, wie ich bin. Ich erkläre mit diesem Modell wie unsere Gefühle funktionieren, wie wir das emotionale Unbewusste vom rationalen Unbewussten trennen, wie Psychosomatik entsteht und – jetzt kommts- wie wir glücklich werden. Nebenbei wird das Weinen erklärt, warum es gesünder ist, nein zu sagen und wie um Himmels willen das Game of Thrones Finale verbockt werden konnte. Na gut, diese Frage ist dann doch eine Nummer zu schwer für mich.

Wir fangen wie immer mit einem Originalton an. Wie immer unkenntlich gemacht. Und ja, ich habe einen tollen Job:
„Eigentlich habe ich mich gut gehalten. Aber an diesem Tag war Elternsprechtag. Wir hatten die Eltern einer Gruppe von Kindern eingeladen, die durch aggressives Verhalten aufgefallen sind. Es gab Schlägereien, Drohungen und Mobbing, wie es an einer Brennpunktschule nun einmal so ist. Ich schlage also vor, dass man als Elternteil auch auf die Bedürfnisse der Kinder achten solle. Die Kinder scheinen nicht ausgelastet zu sein und könnten möglicherweise von einem intensiven Sportprogramm in der Freizeit profitieren. Etwas, wo sie sich geordnet mit anderen Kindern auseinandersetzen könnten. Dann würden sie vielleicht in der Schule friedlicher sein. Letztlich ein probates Mittel und auch nicht gerade neu. Womit ich nicht gerechnet habe, war der massive Gegenwind aus der Elternschaft. Ich wurde gefragt, was die Eltern denn noch alles leisten müssten, ob jetzt die Eltern wieder an allem Schuld seien? Warum der schwarze Peter sofort wieder auf die Eltern geschoben werde, immerhin sei man hier, um den Lehrern ins Gewissen zu reden. Da müsse man ansetzen. Was machen die Lehrer denn eigentlich den ganzen Tag so, wenn sie die Kinder nicht erziehen würden? In diesem Moment wurde mir heiß und kalt und ich hatte einen Kloß im Hals. Meine Finger wurden taub und ich bekam keinen Ton mehr heraus. Ich fühlte mich erst hilflos, dann wütend, dann wieder verzweifelt bis ich mit Schwindel zusammenbrach und ins Krankenhaus gefahren wurde. Die Eltern hatten einen wunden Punkt getroffen, sie hatten mich erkannt. Ich war nicht gut genug für den Job und hier wurde es offen ausgesprochen. Ich fühlte mich wie ein ertappter Hochstapler. Ich wollte Lehrer werden, um den Schülern zu helfen und hier wurde mir aufgezeigt, dass ich es nicht kann. Ich werde nie wieder in die Schule zurück gehen!“

Wir sehen hier einen aggressiven und entwertenden Angriff gegen eine Lehrerin, der nicht als solcher erkannt wird. Stattdessen wird er schuldhaft vollständig aufgenommen. Die resultierende Psychosomatik ist daher so extrem wie selten. Der Selbstschutz mit Flucht zur Vermeidung einer Wiederholung genauso typisch wie tragisch. Was wir nicht sehen, ist wie das zu einem Bällebad passt, in dem unsere Kinder so gerne versinken. Also was soll die merkwürdige Überschrift?

Stellen Sie sich ein leeres Becken vor. Die Grenzen des Beckens ist unsere Willenskraft. Dieses Bad wird während des Lebens mit kleinen Plastikbällen gefüllt. Jeder Ball hat eine andere Farbe und symbolisiert ein anderes Gefühl. Rote Bälle stehen für Ärger, grüne für Freude, blaue für Trauer und so weiter.

Schauen wir von oben drauf ist die vorherrschende Farbe unsere aktuelle Stimmung. Aktuelle Ereignisse bestimmen also hauptsächlich unsere Stimmungslage. Einen Eimer grüne Bälle zum Geburtstag? Schon sieht die Stimmung ganz anders aus. Leider wird das Bad oft ordentlich durchmischt. Erinnerungen bringen alte Bälle nach oben. Stellen Sie sich vor, Sie begegnen einer alten Jugendliebe. Innerhalb von Sekunden ist das alte Gefühl wieder da. Aber woher kommt es? Der graue Ansatz und die Neigung zu Übergewicht raubt Ihnen wie in einer Schockverliebtheit den Verstand? Eher nicht. Je nach dem wie groß die Liebe war werden hier ganz alte Bälle nach oben geholt. Die Zeit ändert an der Erinnerung sehr viel, aber nicht an den Gefühlen. Wer das nicht glaubt, war noch nie auf einem Schultreffen.

Wenn jemand eine sehr schlechte Kindheit hatte, kann es sein, dass er ständig rote Bälle nach oben holt. Und wenn er die untermischen will, holt er noch viel mehr rote Bälle dadurch hoch. Ich habe schon Patienten behandelt, die immer wieder bei bestimmten Erinnerungen in eine Starre verfallen sind, weil die Gefühle zu stark waren und eine Art Schock auslösten.

Falls wir diese Bälle nicht loswerden, begleiten die uns für sehr lange Zeit. Eine Möglichkeit des Loswerdens besteht in wiederholte Erinnerung oder Erzählung. Emotionen können durch Wiederholung verbraucht werden. Falls Sie jemals einen Witz zehn Mal hintereinander erzählt haben, werden Sie aus eigenem Lachen kaum noch die Pointe versauen. Das gilt natürlich nicht für meinen Stock und Hut Witz! Da lacht man ewig drüber!

Rationale Erinnerungen werden stärker durch Wiederholung, emotionale schwächer. Eines der ältesten Therapieprinzipien. Leider versuchen wir alle, die unangenehmen Erinnerungen zu verdrängen. Also im Bällebad immer wieder schön nach unten! Die guten erzählen wir und die schlechten behalten wir für uns. Fällt da jemandem was auf? Wie schlau wäre es, wenn wir es genau andersherum machen würden? Zum Glück gibt es noch jede Menge andere Möglichkeiten, die Bälle wieder aus dem Bad rauszuholen. Aber noch wichtiger ist es, sehr genau darauf zu achten, welche Bälle in das Bad hinein kommen. Etwas, was unsere sympathische Lehrerin im Beispiel versäumt hat.

Jeder versucht, seine Bälle aus seinem eigenen Bad raus in unserer hineinzuwerfen und unsere Aufgabe besteht darin, dies zu bemerken und zu verhindern. Ein feines Gespür zu entwickeln, welche Emotionen uns entgegengebracht werden und klar nein zu sagen. Sag „nein“ zu roten Kugeln!

Falls das Bällebad jemals voll sein sollte, fallen die Kugeln raus. Dieses äußert sich z. B. in Weinen. Aus Ärger, Freude, Schmerz, Trauer. Jeder Ball, der nicht mehr in das Bad hineinpasst, fällt als Träne zu Boden. Die Kraft unseres Verstandes bestimmt die Größe des Bällebades. Ist das Bad voll, können wir Gefühle nicht mehr steuern. Oder wenn wir unseren Verstand schwächen, durch Müdigkeit, Arbeit oder Alkohol. Jetzt übernehmen die Gefühle das Ruder. Was dann passiert, liegt an der Art des Gefühls und unserem Charakter. Ich schreie. Ich verstumme! Ich schlage zu. Ich verletzte mich selbst. Ich tanze und lache herzhaft und inadäquat. Ich kann das Kichern nicht unterdrücken, obwohl ich in der Oper sitze. Wir verlieren nicht die Kontrolle. Wir steuern unsere Handlungen nur aus anderen Gründen. Dies ist unsere wilde und emotionale Seite. Diese Seite ist nicht unbewusst. Wahrscheinlich sind wir zu keinem Zeitpunkt so bewusst wie in diesem! Die extremen Gefühle sind die Moment, in denen wir das Leben in seiner ganzen Klarheit wahrnehmen. Dies sind die wenigen unvergesslichen Momente des Lebens. Wo waren Sie, als die Mauer fiel? Wo waren Sie, als die Flugzeuge ins World Trade Center krachten? Klare Momente, unvergessen.

Immer, wenn wir in unserer Erinnerung über einen roten Plastikball stolpern sollten wir diesen aus dem Bad herauswerfen. Darüber reden, eine E-Mail an einen längst Verflossenen schreiben. Oder mit einem früheren Lehrer ins Reine kommen. Vielleicht jemand, der einen ungerecht behandelt hat oder offen sadistisch war. Was man als Kind nicht erkannt hat und erst im Studium der Psychiatrie begreift. Der einem auf einer Wanderung auf dem Monte Cinto in Korsika 25 Kilo Steine in den Rucksack packt, damit diese später genau „kategorisiert“ werden können. Und dem man Jahre später alle diese Steine mit chirurgischer Präzision seine Scheibe schmeißen kann. Mitsamt Kategorisierung und vielleicht dabei noch seinen Zaun umtritt. Die Wohltat der Reinigung, wenn man in den Nachthimmel schreit: „Das hast Du nicht umsonst gemacht, Egbert Weisheit!“

Nur so als Beispiel meine ich. Rein fiktiv. DocWassmuth macht doch nur Spaß!

Natürlich ist es viel Arbeit, ein ganzes Leben auf diese Weise aufzuarbeiten. Daher müsst Ihr alle die Bälle abarbeiten, die Ihr täglich untergejubelt bekommt. Der Lohn ist ein Leben in einem reinen, unverschmutzten Bällebad. Eine Klientin sagte einmal zu Ihrem Vater, dass er ein furchtbarer Vater war, der sich nur um sich selbst kümmerte und sie bei Gedanken an ihre Kindheit Magenschmerzen bekomme. Und der Vater entschuldigte sich dafür und erklärte ihr, dass er oft nachts wach liege und sich dafür schäme. Dass er berufliche Schwierigkeiten hatte und sich deswegen nicht um die Kinder habe kümmern können. Dass es ihm leid tut und er sich nie getraut hat, darüber zu sprechen. Und der rote Ball wurde irgendwie grün.

Zusammenfassung:

Achtet darauf, welche Emotionen Ihr in Euer Bällebad hineinlasst. Und wenn sie Euch nicht passen, gebt sie wieder zurück. Behaltet sie nicht aus falscher Höflichkeit oder Angst. Wenn Ihr über Erinnerungsfetzen mit negativen Emotionen stolpert, nicht wieder untermischen, sondern raus damit! Und achtet auf Eure Umgebung. Manche Menschen aber auch Zeitungen machen nichts anderes, als schlechte Emotionen zu verbreiten, die man nie wieder los wird.

Und jetzt, auf allgemeinen Wunsch, mein Stock und Hut Witz:

Wollte ich neulich einen Hut kaufen. Sagt die Verkäuferin: Ersten Stock! Sag ich: Nene, erst nen Hut!

Bis zum nächsten Mal meine Freunde, das war es erst einmal wieder von Eurem

DocWassmuth