Über das Gefühl

BITTE BEACHTEN SIE

Ich habe einige außergewöhnliche Behandlungsansätze, die sich nicht in Büchern wiederfinden. Diese sind meist konsequent weitergedachte schulmedizinische Betrachtungsweisen. Um mich und meine Arbeit besser kennenzulernen, stelle ich diese hier dar. Ich diskutiere diese gerne mit Ihnen und stelle etwas pointiert dar, um zum Austausch anzuregen. Dieser Blog ist weder Ausbildung, noch zum Nachahmen gedacht und ersetzt keine ärztliche Beratung oder Therapie. Aber vielleicht lachen Sie. Und dann vielleicht doch.

Wie wir unsere Gefühle beherrschen oder beherrscht werden wird heute unser Thema sein. Die netten Rückmeldungen für den letzten Artikel ermutigen mich, auch neue und möglicherweise kontroverse Thesen mit Euch zu diskutieren.

Spass oder Ruhe

Es gibt keine einzige Behandlung, bei der ich nicht intensiv auf den Unterschied zwischen Gefühl und Verstand hinweise. Das sage ich so oft, dass die Leute den Unterschied sofort aufsagen können, wenn ich sie nachts um drei wecke.  Manchmal höre ich aber auch kritische Nachfragen. Wie zum Beispiel: Was machen sie in meinem Schlafzimmer?“ Schauen wir mal wieder in meine Woche:

Montagmorgen, Viertel vor viel zu früh

„Ich kann nur ganz schlecht alleine bleiben. Sobald ich länger als eine Stunde alleine zu hause bin, fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich denke über alles mögliche nach und muss mich sofort ablenken. Weil wir das letzte Mal über Urlaub geredet haben, wollte ich dieses Wochenende alles richtig machen. Ich habe Freitag Abend den Laden abgeschlossen und bin direkt nach St. Moritz zum Skifahren. Naja, direkt ist vielleicht etwas übertrieben. Donnerstag war ja dieser Sturm, daher fuhren noch nicht alle Züge. Daher musste ich vier Mal umsteigen und hatte jedes Mal nur wenige Minuten Zeit. Leider konnten Sie mir nie vorher schon sagen, auf welches Gleis ich musste, daher hab ich auch gleich den ersten Zug verpasst. Direkt beim letzten Umsteigen fiel dann ein Zug aus und ich hatte drei Stunden Aufenthalt. Aber Skifahren war trotzdem unglaublich toll. Ich wollte jede Minute ausnutzen und bin daher 48 Stunden wach geblieben. Habe jede Minute genutzt. Ich habe viel Sport gemacht und interessante Menschen kennengelernt. Ich hatte auch keine Zeit zum Grübeln, das hatten wir doch auch besprochen. Es schien auch die Sonne, was ja auch wichtig ist. Nach der Rückfahrt mit dem Zug bin ich direkt wieder in den Laden und hatte noch den ganzen Tag eine super Stimmung. Obwohl ich alles richtig gemacht habe, konnte ich die ganze Woche nicht richtig schlafen, kann mich jetzt viel schlechter konzentrieren und hänge voll durch. Ich kann mich kaum zur Arbeit motivieren, in meinem Kopf geht alles durcheinander. Es geht mir viel schlechter als vorher. Aber mehr kann ich doch wirklich nicht machen?“

Die Beschwerde klingt auf den ersten Blick nachvollziehbar. Jemand strengt sich wirklich an. Das ist das heimtückische bei einer Überlastung. Unser natürliches Verhalten führt uns völlig in die falsche Richtung. Wissen Sie natürlich längst. Weil Sie z. B. alles über die Kopfdiät wissen. Reden wir ja nicht zum ersten Mal drüber. Nur wenn wir scharf zwischen Gefühl und Verstand unterscheiden können, kommen wir aus diesem Dilemma heraus. Dieses Wochenende ist ein perfektes Beispiel, wie jemand eine Depression behandeln sollte. Er macht alles für seine Stimmung. Leider auf Kosten seiner geistigen Kraft, daher verschlechtern sich die Burnout Symptome sehr. Allein die Anreise mit dem Zug hat ihn schon an den Rand der geistigen Belastung gebracht. Der Schlafentzug ist ein bewährtes Mittel gegen Depressionen. Aber Schlaf ist immer noch das beste Mittel zur geistigen Regeneration. Und ohne Schlaf wird die Stimmung zwar besser, die Konzentration aber sehr viel schlechter. Die vielen Kontakte und hunderte von Gesprächen sind unglaublich viele Informationen, die alle verarbeitet werden müssen. Und das Skifahren selber ist heutzutage nicht mehr ganz so locker wie bei meinen ersten Skiversuchen. In den 70 er Jahren stand in Sölden eine Betonmischmaschine, an der man ein Kabel befestigt hat. Mit einer Zange konnte man sich in dieses Kabel einhaken und wurde 50 Meter hochgezogen. Außer mir und dem Skilehrer Sepp, dem Lifthelfer Sepp und dem Wirt Sepp, gab es nur den Lehrling Toni. Der kam von ausserhalb. Da konnte man noch ganz entspannt in den Schnee fallen. Heute in Sölden mit 146 Kilometern Abfahrt und 65000 beförderten Personen pro Stunde ist das Fahren so entspannend wie ein Picknick auf dem Nürnburgring während eines Formel 1 Rennens. Wer da nicht hellwach ist und sich rechtzeitig duckt, wenn die Eisenkante eines Snowboards auf Halshöhe entgegenkommt, muss sich über Burnout bald gar keine Sorgen mehr machen. Die Leute glauben, das Skifahren entspannt. Ich glaube, das hat eher was mit Jagatee zu tun! Wenn sich nach einem solchen Wochenende nicht die Beschwerden verschlechtern, muss ich mir eine andere Diagnose suchen.

Verbindung zwischen Verstand und Gefühl

Jede Erinnerung ist mit einem Gefühl verknüpft. Jeder kennt das! Führerscheinprüfung? Mathearbeit? Erster Kuss? Kino? Jede Erinnerung ist mit bestimmten Gefühlen verbunden. Aber auch in die andere Richtung funktioniert es: Zahnarztgeruch, Popcornduft, ein bestimmtes Parfum. Vor dem geistigen Auge läuft sofort ein Erinnerungsfilm ab. Wenn ein Mensch in seinem Leben nur schöne Dinge erlebt hat, wird jeder einzelne Gedanke auch nur mit einem guten Gefühl verknüpft sein. Er lässt seine Gedanken schweifen und wird von den eigenen Erinnerungen in positive Stimmung gebracht. Alles, was er sieht, löst schöne Assoziationen aus. Was aber passiert mit den Menschen, die in ihrem Leben sehr viel unangenehme Dinge erlebt haben? Hier läuft es genau in die andere Richtung. Alle Erinnerungen gehen mit negativen Gefühlen einher, die sich zu einer schlechten Stimmung summieren. Dieser Prozess ist ursprünglich als Schutz gedacht. Sie schauen eine giftige Spinne an und bekommen einen Fluchtimpuls. Diese Verknüpfungen müssen aber individuell angelegt werden. Da aber nicht jeder Mensch mit jeder giftigen Schlange Kontakt haben muss, tritt hier eine Vereinfachung ein: Wir haben einfach vor jeder Schlange Angst. Das ist weder genau, noch gerecht. Aber es ist sicher. Auch im Tierreich läuft es genau so. Tiere haben vor Gartenschläuchen oder Gurken Angst, weil diese sie an Schlangen erinnern. Stellen Sie sich vor, Sie lernen jemanden kennen, den Sie spontan nicht leiden können. Hier könnte es eine Verknüpfung geben. Wenn wir lange genug nachgrübeln kommen wir darauf, dass diese Person uns an jemanden erinnert, den wir auch schon nicht leiden konnten. Passiert jeden Tag. Ich war zum Coaching bei VW und treffe dort einen Manager, der mich an meinen alten Kumpel Axel erinnert. Sah fast genauso aus, redete auch ein bisschen so wie der. Und ich beobachte mich, wie ich den wie einen alten Freund begrüße und nach kurzer Zeit plaudern wir wie alte Freunde und haben viel Spass. Ich, weil ich über eine alte Verknüpfung stolpere. Er, weil er nicht mehr weiß, woher wir uns so gut kennen aber sich nicht traut, das zuzugeben.

Diese Verknüpfungen aufzuarbeiten ist ein wichtiger Teil der Therapie. Wir müssen alle negativen Verknüpfungen erkennen und neutralisieren. Die positiven lassen wir natürlich so. Die Technik dafür verwenden Sie jeden Tag. Ein Prüfer hat Sie durchfallen lassen? Abends erzählen Sie es ihrer Freundin. Die steht voll und ganz auf Ihrer Seite und sagt Ihnen, was Sie dem hätten erzählen sollen. Finden Sie gut, ha! Genau! Plötzlich können Sie das nächste Aufeinandertreffen gar nicht mehr erwarten, weil Sie gewappnet sind! Dem erzählen Sie was. Wenn Sie jetzt an die Prüfung denken, kommen ganz andere Gefühle hoch, nicht mehr Ohnmacht, sondern freudige Erwartung und Rachegefühle. An den Rachegefühlen erkenne wir, dass Sie lieber zum Therapeuten gehen sollten, als zu Ihrer Freundin. Was aber, wenn Sie die Erinnerung und die Gefühle so unangenehm finden, dass Sie sich sofort ablenken, die Gedanken unterdrücken? Das nennt man dann Verdrängung. Weil die Erinnerung nicht angefasst wird, bleibt sie schön frisch. Jahrelang. Garantiert. Ohne Ablaufdatum. Nicht so wie mein fünf Millionen Jahre altes Gletschersalz aus dem Himalaya. Das läuft nämlich im Dezember 2018 ab. Steht auf der Packung! Mann, das war knapp! 5 Millionen Jahre frisch und kaum kauf ich es, ist es schon so gut wie hin.

Leider ist das ganze Verdrängen unglaublich anstrengend. Stellen Sie sich vor, Sie sind am Strand von Gran Canaria und wissen, dass Ihre Arbeitskollegin genau dort auch grad Urlaub macht. Den ganzen Urlaub sind sie auf der Hut. Hektische Blicke, jedes Lokal wird von außen erst gescannt. Sonnenbrille getragen. Und dann einmal nicht aufgepasst und mitten in die Kollegin rein gelaufen. Ach hier liegt ihr immer? Wir holen gleich unsere Handtücher. Heute Abend Abendessen? Morgen wieder hier? Super. So geht es Ihnen, wenn Sie unangenehme Erinnerungen haben und befürchten müssen, jede Sekunde daran erinnert zu werden. Ein einziger Zick Zack Lauf durch unser Gedächtnis. Das Verdrängen selbst ist auch Knochenarbeit. Immer wieder wegschieben, irgendwann wird das zu schwer. Dann bricht alles über Ihnen zusammen und wissen Sie wann? In dem Moment, wenn Sie es am wenigsten gebrauchen können.

Gefühle sind aber nicht nur eine reine Wahrnehmung von Stimmung. Sie leiten unser Handeln genauso, wie es der Verstand macht. Es ist wie in einer Firma mit zwei Chefs. Beide handeln unabhängig und ohne sich abzusprechen. Nur durch Zufall sind sie auch mal einer Meinung. Der eine ist in seinen Entscheidungen super schnell aber oft nicht richtig. Der andere sehr langsam, aber mit besseren Entscheidungen. Der Mensch ist hier wie ein leitender Angestellter. Mal steht er eher auf der einen Seite, dann ist er eher so der emotionale Typ, mal für den anderen, dann ist er rational. Meist muss er aber den Mitarbeitern die Entscheidungen der Chefs verkünden, ohne an der Entscheidung beteiligt zu sein. „Im Führungskreis wurde heute entschieden, auf das angebotene Stück Kuchen zu verzichten!“ Buhrufe. „Uns fehlt einfach die Phantasie für die Aufnahme von Zucker während unserer Diät!“ Hat sich der Verstandschef durchgesetzt. Oder: „Nach intensiver Beratung hat die Partei beschlossen, die Wiederaufnahme der Diät auf Montag zu vertagen.“ Jubel! „Der Kuchen ist ein Teil unserer Lebensqualität und die verteidigen wir, weil es uns schmeckt!“ Da hat wohl eher der emotionale Chef das Sagen gehabt.

Leider hat sich der ein oder andere Psychiater bestechen lassen und sich mit der Seite des Verstandeschefs verbündet. Das war für ihn das „Ich“ und die Chefin aus dem Nachbarbüro war „Es“. „Hast Du gehört, es hat schon wieder geraucht! Unsere ganze Arbeit für umsonst!“ Weil Generationen an Menschen diesem Beispiel folgten, hat der Emotionschef einen schlechten Ruf bekommen. Keiner wollte mehr etwas mit ihm zu tun haben. Seine Entscheidungen wurden angezweifelt. Wenn Sie heute aus einem Gefühl heraus einen Laden ausrauben, werden Sie weniger hart bestraft, als wenn Sie den Coup lange geplant haben. Hat ja das emotionale Nachbarbüro entschieden. Von denen kann man nichts besseres erwarten. Mord aus dem Ärger heraus: Mindernde Umstände. Mord aus rationaler Planung: Lebenslänglich! Beide tot. Und bei der Wiederholungstat sind wieder beide tot, nur der eine etwas früher, weil der Täter nicht so lang im Knast saß. Mit der gleichen Begründung könnte Ihnen der nächste Lottogewinn aberkannt werden. „Sechs Richtige, nicht schlecht! Sind 4 Millionen.“ „Hab ich einfach mal so aus dem Bauch heraus getippt!“ „Aha, das heißt, sie sind für die Auswahl gar nicht verantwortlich? Na dann behalten wir das Geld mal lieber!“ Sagen Sie nie, dass Sie sich aus Liebe für Ihren Mann entschieden haben. Da ist die Ehe gleich juristisch anfechtbar.

Freud hat uns von dem unberechenbaren, nicht logischen „Unbewußten“ auch juristisch befreit. Wir töten jemand unbewußt, waren eigentlich gar nicht dabei, können daher auch nicht belangt werden. Wenn eine Tat aus einem Gefühl heraus entsteht, das stärker war, als unsere verstandsgemäße Einsicht, die Tat lieber nicht zu tun, werden wir weniger oder nicht bestraft. Als wären unsere Gefühle nicht wir! Und der Volksmund hat das begierig aufgenommen. Wildecker Herzbuben betrügen ihre Frauen und singen dann fröhlich darüber: „Herzilein, musst nicht traurig sein. Schuld war doch nur der Wein!“ Mangelnde Sehkraft seitens der Frau wird auch noch einen Teil beigetragen haben.

Es geht nicht darum, alle Emotionen zu unterdrücken und ausgesprochen erstaunt zu sein, wenn sie dann doch mal zu Tage treten. Es geht darum, diesen Teil des Menschen zu integrieren und zu lernen, damit umzugehen.

Die Kraft des Gefühls

Wenn ein Gefühl aktiviert wurde, will es den Menschen zu einer bestimmten Handlung verleiten. Die Kraft dieses Gefühls kann jedoch auch über andere Gefühle verbraucht werden. Auf diese Weise können wir sehr viel besser und unschädlicher unsere Gefühle und unsere Handlungen kontrollieren. Auch wenn diese Theorie neu ist, ist es der Umgang damit nicht. Die Erfahrungen stehen uns jeden Tag zur Verfügung. Nehmen wir das schwierigste Gefühl im Umgang: Ärger. Ich ärgere mich über den Postboten. Wenn ich nie gelernt habe, mit Gefühlen umzugehen, schreie ich ihn an, sobald er vor der Tür steht. Wenn ich nicht mit den Gefühlen umgehe, ist es nur eine Frage der Willenskraft, wie lange ich den Ärger verdrängen kann. Als freundlicher Choleriker schreie ich sofort. Da ich nicht viel Ärger unterdrücken kann, ist die Wut nach einer Minute wieder verraucht. Bin ich jedoch gut im Verdrängen, kann ich den Ärger auch schon mal 20 Jahre lang anstauen. Da kommt ganz schön was zusammen. Wenn der dann losbricht, will ich nicht in der Nähe sein. Der typische Amokläufer ist introvertiert und oberflächlich freundlich, halt ein guter Verdränger. Steht in jedem Zeitungsartikel: War immer freundlich zu den Nachbarn, damit hätte nie jemand gerechnet. Unser emotionales Gedächtnis ist unglaublich stark. Jemanden aus der Grundschule konnten Sie nicht leiden? 40 Jahre später beim Klassentreffen haben Sie sofort das gleiche Gefühl. Hier ist ein wichtiger Mechanismus von Karma zu sehen. Seien Sie nett zu anderen. Wenn Sie es nicht grad mit einem Psychopathen zu tun haben, wird dieses Gefühl beim anderen abgespeichert, da kann der gar nichts gegen machen. Er muss sich in Zukunft auch immer nett Ihnen gegenüber verhalten, bis er sich revanchieren kann. Ist wie bei Rache, nur im Guten.

Aber wie können wir den Ärger verändern, um ihn unschädlich zu machen? Neu ist: Wir können ihn in jedes andere Gefühl verwandeln. Ich bin wütend und schlage gegen die Wand. So wird Wut zu Schmerz. Keine gute Idee, aber die Wut wird weniger und diese Technik wird erstaunlich häufig verwendet. Wieso kann ein Gefühl plötzlich zu einem anderen werden? Ich habe keine blassen Schimmer. Wenn es irgendjemand von Euch weiß, immer her damit. Ich weiß nur: Wenn unser emotionales Zentrum voll erregt ist, ist es egal, welches Ventil zum Ablassen verwendet wird. Trauer wird zu Wut, Wut zu Trauer. Kennt jeder, der mal einen Film über Unternehmensberatungen in Süditalien gesehen hat. Der Pate Teil I-III zum Beispiel. In einem Moment stehen alle bei Luigi am Grab, in der nächsten Einstellung fliegen schon blaue Bohnen durch die Strassen von Palermo. Hass zu Liebe und umgekehrt. Und am nächsten Tag wieder zurück. Kennt noch jemand Fatal attraction mit Michael Douglas? Falling Down ist ein zumindest zur Hälfte wunderbarer Film mit ihm, der Ohnmacht zu Wut gut beschreibt. Die Beziehung und der Job laufen nicht, er steht im Stau. Als jetzt noch eine Fliege um seinen Kopf kreist, übernimmt die Schrotflinte das Reden.

Wir können jederzeit ein Gefühl in ein anderes verwandeln. Es ist wie ein Bierfass mit 5 Zapfhähnen. Aber wenn es leer ist, kommt gar nichts mehr. Wir können uns jederzeit in genau denjenigen im Büro verlieben, den wir seit Jahren hassen. Aber nicht in denjenigen, für den wir gar nichts empfinden. Da müssen erst ganz mühselig Gefühle aufgebaut werden. Die Metapher mit dem Bierfass erklärt auch, dass keine Emotion mehr funktioniert, wenn das Fass leer ist. Egal wie wir es verbraucht haben. Examen bestanden, drei Tage gefeiert! Und dann? Postexamensdepression! Kind da, Glück ohne Ende? Wochenbettdepression. Traumurlaub zu Ende? Wieder Depression. Weil auch durch gute Gefühle das Fass leer werden kann. Depression bedeutet übrigens daher, keine Emotionen zu haben, nicht traurig zu sein. Ein Depressiver wird daher immer sagen: Wie schön, wenn ich wenigstens mal wieder weinen könnte. Und hier kommen wir zum universalen Werkzeug, dem emotionalen Dietrich: Weinen geht immer. Vor Wut, vor Freude, aus Angst, aus Trauer. Vor Lachen! Weinen geht immer und baut jede Emotion ab. Um so schlimmer, dass noch in den 70ern und vermutlich auch noch heute den Kindern systematisch das Weinen verboten wurde. Man weint nicht, ein Indianer kennt keinen Schmerz, zeig keine Schwäche, sei kein Weichei. Keine Ahnung, was damit bewirkt werden sollte. Gutes jedenfalls nicht. Genau das ist unsere heutige Burnout Generation, die verlernt hat, auf die Gefühle des eigenen Körpers zu achten. Natürlich ist es aus den gleichen Gründen verpönt, zum Psychiater zu gehen. Fast jeder meiner Patienten fürchtet sich vor seinem Unbewussten und vermeidet daher den Kontakt zu allem, was mit Psycho zu tun hat. „Ich habe Angst, dass durch die Therapie bei mir etwas Furchtbares offenbart wird, von dem ich noch gar keine Ahnung habe!“ Diesen Satz höre sich sehr oft. Ein Monster, irgendwo unter dem Verstand versteckt. Freud  bringt die Menschen seit Generationen davor, sich vor der eigenen Psyche zu fürchten. Dabei verbringen wir den Tag zu 80% in unserem Unbewußten. Und wenn ich mich morgens in der Strassenbahn zu umschaue denke ich, dass manche Zeitgenossen schon seit langem die Adresse von ihrem Bewußtsein verloren haben. Sonst würden die Achtsamkeitskurse nicht so beliebt sein, die uns beibringen, den Tag mal wieder bewusst zu erleben. Wann bitte am Tag denken wir schon darüber nach, was wir machen? Emotionen und Instinkt sollten ein wichtiger Teil des Lebens sein und wir sollten lernen, damit umzugehen und ihn zu verwenden.

Nicht verdrängen und fürchten.

Zusammenfassung

Verstand und Gefühl sind in unterschiedlichen Gehirnbereichen untergebracht. Beide arbeiten unabhängig von einander und können beide unsere Handlungen kontrollieren. Sind sie sich uneins, bringt uns das in einen inneren Konflikt. Wenn wir unsere Emotionen unterdrücken, kostet das Kraft. Die Emotionen stauen sich an und platzen aus uns heraus, wenn die Kraft nachlässt. Anstatt zu verdrängen, müssen wir daher lernen, beide Anteile gleichermaßen ins Leben zu integrieren. Eine Emotion kann in eine andere Emotion verändert werden, wenn wir lernen, wie das geht. Dies ist ein wichtiger Schlüssel zum persönlichen Glück.